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Kommt sie jetzt oder kommt sie jetzt nicht?
Immobilienexperten sind uneins über die Preisentwicklung von Eigentumswohnungen in deutschen Großstädten. Medien veröffentlichten vor kurzem eine Prognose der so genannten Immobilienweisen des Branchenverbands ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss), die diese der Bundesregierung übergaben. Darin wird festgestellt, dass kurz- bis mittelfristig von einem Preissturz bei Immobilien auszugehen sei, insbesondere in den Städten Berlin, München und Hamburg. Es gibt jedoch nicht wenige Fachleute aus der Immobilienbranche, die dieser Prognose widersprechen und die Substanz der Schlagzeile: "In Berlin ist die Party vorbei", bezweifeln.
Was sagen Experten?
Unbestritten ist, dass der deutsche Immobilienmarkt in den letzten fünf Jahren eine rasante Preisentwicklung genommen hat. Das trifft speziell auf die Kaufpreise von Eigentumswohnungen in den Metropolen zu. Bundesweit legten sie 2016 im Schnitt um mehr als 8 Prozent zu, das war noch einmal eine Beschleunigung gegenüber 2015. Je größer die Städte, desto stärker war der Preisanstieg. Die Preise haben sich teilweise derart dynamisch entwickelt, dass sogar die Wachstumsraten des chinesischen Häuserpreismarktes partiell übertroffen wurden. Laut dem o. g. Gutachten jedoch könnten Eigentumswohnungen an den Top-Standorten in vier bis fünf Jahren um bis zu ein Drittel sinken.
Spezialisten wie das Beratungs- und Analyseunternehmen Bulwiengesa rechnen dagegen mit weiter steigenden Immobilienpreisen und Preiskorrekturen in Metropolen für unrealistisch. Prognosen sind immer mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet, in jüngster Zeit wurde schon oft das Erreichen eines Gipfels bei den Immobilienpreisen prophezeit.
- rasante Preissteigerungen am deutschen Wohnimmobilienmarkt an Top-Standorten seit 2011
- Prognosen über künftige Immobilienpreisentwicklung, insbesondere bei Eigentumswohnungen in Metropolen,weichen stark voneinander ab
Gründe für den Immobilienboom
Die Ursachen für die ungebrochene Nachfrage nach städtischen Immobilien liegen in dem intakten Trend des Zuzugs junger Menschen in die Großstädte. Junge Leute sind mobiler und versprechen sich dort bessere Ausbildungs- und Jobchancen. Auch für ältere Menschen sind Städte attraktiv, sie finden dort Freizeiteinrichtungen, Gesundheitsversorgung und Kulturangebote gleich um die Ecke und müssen keine langen Anfahrtswege in Kauf nehmen. Forscher sagen voraus, dass die Bevölkerungskonzentration in den Städten anhalten wird. Das macht den Wohnraum knapper, weil gleichzeitig zu wenige und nicht genügend bezahlbare Wohnungen gebaut wurden.
Die Nachfrage nach Immobilien wird zusätzlich von den niedrigen Kreditzinsen getrieben. Baugeld war in den letzten Jahren so billig wie nie. Heute können sich Familien und sogar Alleinstehende Eigentum leisten, für die der Immobilienerwerb noch vor einigen Jahren unmöglich gewesen wäre. In Ermangelung von Anlagealternativen dient die Immobilie immer breiteren Bevölkerungsschichten als Geldanlage und Inflationsschutz. Solange die EZB ihre Nullzinspolitik beibehält, wird die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen aus der Bevölkerung anhalten. Ein Ende der Nullzinspolitik ist derzeit nicht abzusehen. Zudem vergeben die Banken Baufinanzierungen bisher nach konservativen Prinzipien.
- Zuzug junger Menschen in Städte hält an
- Wohnraum wird an städtischen Standorten knapp, weil gleichzeitig zu wenige und nicht genügend bezahlbare Wohnungen gebaut wurden
- Nullzinspolitik der EZB treibt Nachfrage nach Immobilien
Was spricht für eine Fortsetzung der Preisentwicklung?
Im ersten Dreivierteljahr 2016 wurden so viele Wohnungen zum Bau genehmigt wie seit 1999 nicht mehr. Dennoch decken die Neubauten bei weitem nicht die Nachfrage. Gerade die Zuwanderung aus dem In- und Ausland in die Deutschen Metropolen hat die Nachfrage nach Wohnraum seit 2010 kontinuierlich gesteigert.
Vergleicht man die Bautätigkeit mit dem Baubedarf, wurden laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Bundesdurchschnitt in den Jahren 2011 bis 2015 nur 53 Prozent der benötigten Wohnungen gebaut.
Wird in dem bisherigen Tempo weitergebaut, so rechnet der Präsident des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) Louis Hagen damit, dass "es bis 2025 dauern wird, bis die Unterversorgung aufgeholt wird."
Ein weiterer Preistreiber ist die Knappheit des Baulands in den Städten, die Baukosten und energetischen Anforderungen steigen. Immobilienunternehmen rechnen daher weiterhin mit steigenden Preisen bei Neubau und Bestand. Das ergab eine Umfrage vom Bundesverband Freier Immobilien und Wohnungsunternehmen (BFW). Außerdem haben die Deutschen im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarn enormen Nachholbedarf. Hierzulande besitzt lediglich jeder Zweite Wohneigentum, nur rund 52 Prozent leben in den eigenen vier Wänden, während es in Norwegen fast 83, in Spanien über 78 und selbst in Großbritannien fast 64 Prozent sind. Dazu wächst aufgrund der niedrigen Zinsen die Wirtschaft, die Arbeitslosenzahlen sinken und die Zahl sozialversicherungspflichtiger Angestellter mit sicherem Einkommen steigt.
Städte wie Berlin profitieren darüber hinaus vom technologischen Fortschritt, einer lebhaften Gründerszene sowie der Etablierung von FinTechs und anderen Startups am Markt. In guten und sehr guten Lagen bleibt die Nachfrage am höchsten. Die dort befindlichen Häuser und Wohnungen sind schnell vermietbar und lassen sich gewinnbringend veräußern. So wurde beispielsweise aus dem Problem-Bezirk Kreuzberg mittlerweile ein schicker und hochwertiger Immobilienstandort. Gute Lagen mit Zukunftspotenzial finden sich sogar im ehemaligen Arbeiterbezirk Wedding, der verkehrstechnisch hervorragend angebunden ist. Zudem bietet der Berliner Eigentumsmarkt im bundesweiten Vergleich das breiteste Spektrum an Quadratmeterpreisen für eine Immobilie. Die Preise reichen von unter 1000 Euro / Quadratmeter bis zu mehreren Tausend Euro / Quadratmeter Wohnfläche und zeigen, wie differenziert der Markt in der Hauptstadt ist.
- Bauboom reicht nicht aus, um die Wohnungsknappheit zu beenden
- Wohnungsnachfrage weiterhin höher als Baufertigstellungen
- deutsche Wohneigentumsquote ist im europäischen Vergleich eine der geringsten
- Wirtschaftsboom erweitert den kaufkräftigen Investoren- und Mieterkreis
- am Beispiel des Berliner Immobilienmarkts wird deutlich, dass in Großstädten noch viel Potenzial bei der Aufwertung von Wohnlagen besteht
Welche Argumente sprechen gegen steigende Preise?
Schnäppchen gibt es am deutschen Wohnimmobilienmarkt in Großstädten nicht mehr. Das Frühjahrsgutachten der ZIA zum Immobilienmarkt geht von einer rückläufigen Zuwanderung und einem steigenden Angebot in Berlin und München, möglicherweise auch in Hamburg, aus und rechnet zukünftig nicht mit weiter steigenden Neuvertragsmieten. Infolgedessen wird in diesen Städten ein Trendbruch bei den Kaufpreisen erwartet. Andere Fachleute sehen das jedoch völlig anders. Sie rechnen mit steigendem Zuzug aufgrund erhöhter Einwanderung. Berlins Einwohnerzahl wuchs beispielsweise in den Jahren 2012 bis 2014 um 135.000 Personen, im nächsten Jahrzehnt ist keine Trendumkehr absehbar. Laut einer Postbank Studie sorgen in Berlin die Flüchtlingszahlen dafür, dass die Preise für Eigentumswohnungen um 14,5 Prozent und damit um mehr als sechs Prozentpunkte bis 2030 stärker anziehen könnten, als ohne den Zuzug zu erwarten gewesen wäre. Experten gehen von unterschiedlichen Annahmen zu künftigen Flüchtlingszahlen und der Immobilienangebotslage aus, sie rechnen daher mit gegensätzlichen Trends bei den Kaufpreisen für Eigentumswohnungen.
Fazit
Gerade in Städten wie Berlin, Hamburg, München, Köln oder Frankfurt sind die Immobilienpreise auf einem sehr hohen Niveau. Auch in mittelgroßen Städten bis 100.000 Einwohner müssen Käufer inzwischen hohe Summen investieren, wenn sie in den eigenen vier Wänden wohnen wollen. Von einem Preissturz in der nächste Zeit ist jedoch nicht direkt auszugehen. Der Bedarf an Wohnraum in den Metropolen und angrenzenden Regionen wird weiter wachsen, sodass Eigennützer wie Kapitalanleger weiterhin Immobilien in guten Lagen nachfragen werden. Die Prognosen der Immobilienexperten unterscheiden sich stark voneinander und bieten schlussendlich kein konsistentes Bild über die Preisentwicklungen des Immobilienmarktes.